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TiSA: Das Abkommen, das unter anderem dem freien Internet an den Kragen willLesezeit: 4 Minuten

Das undemokratische und menschenverachtende Großkonzern-Abkommen TTIP (bzw. sein pazifisches Pendant TPP) ist in der öffentlichen Diskussion angekommen. Vielleicht noch gerade rechtzeitig.

Neben TTIP/TPP und CETA (die EU-Kanada-Variante von TTIP) gibt es mit TiSA ein weiteres Abkommen, dass immer nur am Rande in den Diskussionen zu TTIP genannt wird, obwohl dessen Sprengkraft der von TTIP in nichts nachsteht (Stichwort: Unumkehrbare Privatisierung).

Zum Glück gibt es aber immer wieder Verhandlungsteilnehmer, die geheime Dokumente zu den “Verhandlungen” der Öffentlichkeit zuspielen. So wie jetzt mit dem Februar-Entwurf zu TiSA, der seit letzter Woche im Internet zu finden ist und der umfassender ist und zudem neuere Passagen als die bislang bekannten umfasst. Zusammen mit der Trans-Pacific Partnership (TPP) und der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) vervollständigt TISA den Dreierpakt an Abkommen, die die “Konzernregierungen” möglichst ohne Beeinflussung durch Bürgergruppierungen und Wähler durch die jeweiligen Parlamente peitschen wollen.

TISA - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt trade.ec.europa.eu

TISA – Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt trade.ec.europa.eu

Obwohl es sich bei TiSA um das am wenigsten bekannte dieser Abkommen handelt, umfasst es die größte Anzahl an möglichen “Teilnehmerländer” – trifft also weit mehr Menschen als z.B. TTIP allein. Soweit man derzeit weiß, umfasst es 23 Länder und Europa (aber ohne die großen Volkswirtschaften der BRICS-Staaten). Wie ihre Schwestervereinbarungen zielt TiSA darauf ab globale Regeln zu definieren. So soll unter anderem mit TiSA das Internet in die gewünschten “(Konzern)Bahnen” gelenkt werden. Das alles unter Umgehung der nationalen Parlamente, was Transparenz und Rechenschaftspflicht dem Souverän gegenüber betrifft. Der Schwerpunkt von TiSA liegt auf dem Dienstleistungsbereich, während TTIP die “Welt der Güter” im Visier hat.

In den bisherigen Analysen zu den ersten durchgesickerten TiSA-Texten ging es hauptsächlich um zwei Punkte. Der erste war eine Bestimmung, dass es den demokratisch gewählten Parlamenten verbieten würde Grenzen beim “freien Fluss von Informationen” zu setzen, um die Privatsphäre ihrer Bürger zu schützen. Der zweite Punkt in diesem Text vom April 2014 betraf die Netzneutralität. Eine Netzneutralität, die durch ein vorgebenes globales Regelwerk bestimmt wird. Inklusive einer Ausnahmeregelung für ein “angemessenes Netzwerk-Management”. Ein Schlupfloch, das ein freies Internet mit Inhalten, die gleich in ihrer “Auslieferung/-geschwindigkeit” behandelt werden, zerstören würde. Diese Bestimmungen findet man auch in dem neuen durchgesickerten Entwurf.

Aber der neueste Leak hat noch mehr enthüllt. Die Vereinbarung würde es auch Ländern verbieten auf Freie und Open Source Software zu setzen. Zum Beispiel wäre es dann nicht mehr möglich, dass Router mit dem Software-Quellcode vertrieben werden, so dass Drittanbieter bei vorhandenen Sicherheitslücken Updates und Patches schreiben können, um die Sicherheit wieder zu gewährleisten. Oder das kritische Menschen den Quellcode auf etwaige Hintertüren (zu NSA und Co.) überpüfen können. Das mag jetzt nur ein kleines Beispiel sein, wenn man aber weiß, dass z.B. Cisco Router an fiktive Adressen versendet, um das Abgreifen und die Manipulation ihrer Router durch die NSA zu verhindern, bekommt dieses Thema schon eine etwas andere Relevanz.

Wie bei TPP (und wohl auch bei TTIP) enthält der jetzt geleakte Textentwurf von TiSA auch ein Verbot für Gesetze, die von den Service-Providern verlangen, dass Daten lokal vorzuhalten sind. Gesetze, die in einigen Länder verwendet werden, um sensible Daten, wie Gesundheitsdaten, vor dem Zugriff durch fremde Länder zu schützen. Das heißt der Datenschutz wird durch TiSA massiv geschwächt werden. Ganz im Sinne der Internetgiganten wie Google, Facebook oder Amazon.

Die Vereinbarung würde die Länder auch dazu verpflichten Anti-Spam-Gesetze einzuführen. Natürlich ist Spam etwas, was störend ist und eine Menge Geld vernichtet. Aber ein Anti-Spam-Gesetz kann auch zur klassischen Zensur führen. Denn wer entscheidet letztendlich, wann eine Mail bzw. dessen Inhalt Spam ist. Oder werden dann irgendwelche NSA-Selektoren eingesetzt, die den Mailverkehr kontrollieren und Mails mit bestimmten Inhalten bzw. Wörtern als Spam markieren und deren Zustellung verhindern?

Diese drei Beispiele kratzen nur an der Oberfläche, was TISA ausmacht. Aber genauso wie bei TPP und TTIP soll TiSA sehr spezifische Regeln (hier z.B. für das Internet) schaffen, die die Mitgliedsländer später nicht mehr ändern können. Internationale Gesetze, die sich über nationale Gesetze stellen, sollten in einem transparenten Verfahren, das auch die Betroffenen einsehen können, diskutiert und ggf. umgesetzt werden.

TTIP, TiSA, CETA und TPP sind das genaue Gegenteil davon. Hinter verschlossenen Türen werden sehr spezifische Regeln quasi in Stein gemeißelt, die die Unterzeichnerstaaten auf Jahrzehnte binden werden. Die Bürger und eigentlich Betroffenen sind bei diesem Prozess komplett ausgegrenzt und selbst die gewählten Politdarsteller erhalten (fast) keinen Zugriff auf die Verhandlungsergebnisse. Sieht so etwa Demokratie aus?

Quellen:
TISA: Yet Another Leaked Treaty You’ve Never Heard Of Makes Secret Rules for the Internet
Comunicado da sepla quanto ao tisa
It Doesn’t Matter Who Does the Lobbying: Trade Agreements Aren’t the Place for Internet Regulations
EFF – Trans-Pacific Partnership Agreement
EU-US Trade Negotiations Continue Shutting out the Public—When Will They Learn?
Negotiations for a Plurilateral Agreement on Trade in services
Router Security
Court Finds Social Network Add-On Violated Spam, Hacking Laws

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6 Antworten

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  1. 28. Mai 2015

    […] TiSA: Das Abkommen, das unter anderem dem freien Internet an den Kragen will […]

  2. 17. Juni 2015

    […] Kurzmeldungen (Ukraine, RU, EU, Welt…) • TiSA: Abkommen, das u. a. dem [freien?] Internet an den Kragen will • Die unheilvollen Parallelen […]

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