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Energieversorgung: Wie wahrscheinlich ist ein spanisches Szenario in Deutschland?Lesezeit: 5 Minuten

Energie - Bildquelle: Pixabay / analogicus; Pixabay License

Energie – Bildquelle: Pixabay / analogicus; Pixabay License

Während die Bundesnetzagentur einen Brownout/Blackout, wie er vor wenigen Tagen in Spanien und Portugal stattfand, mehr oder weniger kategorisch verneint, beurteilen Kritiker die Lage anders. Insbesondere weil Deutschland in seinem Wahn der Null-CO2-Politik weiter einen Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen (PVWA) fördert.

Welche Punkte stützen die Meinung der Kritiker?

Wir sehen eine zunehmende Volatilität durch PVWA, die durch den massiven Zubau verstärkt wird und die unregelmäßige Einspeisung führt zu einem immer schwierigeren Netzmanagement. Besonders bei hohen Einspeisespitzen (z. B. an sonnigen, windigen Feiertagen, in denen der Stromverbrauch geringer ausfällt) besteht Gefahr lokaler Netzüberlastung.

Parallel dazu haben wir in Deutschland das Problem eines unzureichenden Netzausbaus. Physikalisch gilt, dass der Strom nicht dort hinfließt, wo man ihn „braucht“, sondern entlang geringster Widerstände. Gleichzeitig hinkt der Netzausbau (z. B. Nord-Süd-Trassen) dem Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) stark hinterher, was zu einem zuzunehmenden Redispatch-Bedarf (dazu später mehr) führt.

Auf lokaler Ebene (z. B. in Landgemeinden mit vielen PV-Dächern) steigt die Spannung im Mittelspannungsnetz stark an und eine zunehmende Instabilität kleiner Verteilnetze mit sich bringt. Ortsnetztransformatoren sind teilweise überlastet, was das Risiko eines lokalen „Brownouts“ immer wahrscheinlicher werden lässt.

Deutschland hat auch zu wenig Speichermöglichkeiten und nimmt sich damit Flexibilität auf „Energieereignisse“ passend reagieren zu können. So ist der Ausbau von Langzeitspeichern (z. B. Power-to-Gas, Wasserstoff) in Deutschland noch kaum relevant. In „Dunkelflauten“ (mehrtägig windstille, wolkenreiche Phasen) ist das deutsche System aufgrund des Schleifens klassischer Grundlastkraftwerke verstärkt auf Importe angewiesen.

Ein ganz großes Problem (nicht nur in Deutschland) sind die nicht regelbare PV-Anlagen. Die meisten PV-Anlagen in Deutschland sind nicht netzgeführt (d.h. es besteht keine Möglichkeit der Fernsteuerung dieser Anlagen), besonders bei Kleinanlagen auf Dächern. Sie speisen also bei Sonnenschein „voll ein“, unabhängig vom Strombedarf – das kann zu lokalen Überlastungen führen.

Moderne Wechselrichter könnten theoretisch steuerbar sein, aber ein flächendeckendes, verpflichtendes Steuerkonzept (z. B. §14a EnWG) ist bisher politisch und technisch nur in Ansätzen umgesetzt.

Wie auch Spanien/Portugal wird in Deutschland argumentiert, dass unser Stromnetz eine „N-1“-Sicherheit böte. Das bedeutet vereinfacht, dass bei einem Ausfall eines Netzsegments, dies durch ein anderes Segment ausgeglichen wird, bzw. der Strom dann über diesen Bereich fließt/geleitet wird. Dass dies nicht zwingend ein „Rettungsanker“ ist, hat eben Spanien gezeigt, das ebenfalls Teil des ENTSO-E-Verbundes ist, was trotz „N-1“-Sicherheit nicht vor Fehlerketten oder lokalen Spannungskollapsen schützt. Ein „N-1“-Design ist eine Mindestanforderung, aber kein Garant für Blackout-Sicherheit wie uns die Bundesnetzagentur weismachen will.

Ein immer größer werdendes Problem in/für Deutschland ist die zunehmende Stilllegung grundlastfähiger Kraftwerke. Mit dem Atom- und Kohleausstieg wurde eine große Zahl an trägheitsgebenden, frequenzstabilisierenden Kraftwerken entfernt. Wind- und PV-Anlagen sind netzsynchron nur über Leistungselektronik steuerbar, sie liefern keine „rotierende Masse“, die Frequenzabfälle abfedern konnte. In Süddeutschland ist das ein akutes Problem – dort fehlt es an Ersatzkapazitäten mit echten Netzstützungseigenschaften.

Wie fragil das Stromnetz inzwischen ist, zeigt die Anzahl der notwendig gewordenen Netzeingriffe (sog. Repatching). Während früher kaum Redispatch-Maßnahmen nötig waren, haben wir heute bis zu 50 Einsätze pro Tag (diese Zahl galt vor dem Erneuerbares Energiegesetz EEG für ein ganzes Jahr). Allein 2023 lag das Redispatch-Volumen bei mehr als 20 TWh, was eine massive, strukturelle Problematik aufzeigt, um das System überhaupt noch im Gleichgewicht zu halten. Ursache hierfür: Zubau von PV/Wind ohne parallelen Netzausbau – insbesondere fehlende Übertragungskapazität Nord nach Süd.

Das EEG muss endlich im Bewusstsein der Gesellschaft als strukturelles Problem erkannt werden. Das EEG hat stark auf Einspeisevorrang gesetzt, aber nicht auf Systemdienlichkeit. PV und Wind dürfen einspeisen, auch wenn sie netztechnisch nicht gebraucht werden, inklusive garantierter Abnahme bzw. Bezahlung: Redispatch oder Abregelung erfolgt teuer auf Kosten der Allgemeinheit. Neue gesetzliche Regeln wie §14a EnWG sind ein Versuch, dem zu begegnen, kommen aber deutlich zu spät und greifen nicht konsequent.

Zu Ostern 2025 kam es in Nordrhein-Westfalen zu einer extrem hohen PV-Einspeisung bei gleichzeitig niedriger Last/Verbrauch. Die Netzfrequenz sank darauf kritisch in Richtung 49,8 Hz, bevor Notmaßnahmen und Stromexporte nach Frankreich die Lage stabilisierten konnte. Faktisch schrammten wir sehr knapp an einem kontrollierten Lastabwurf vorbei, der wohl auch der Auslöser für den Brownout/Blackout in Spanien die Ursache sein dürfte.

All diese Ausführungen lassen mich zu dem Ergebnis kommen, dass auf kurzfristiger Sicht ein 60-80%-iges Blackout-Risiko für Deutschland besteht:

  • Strukturelle Instabilität wächst schneller als Netz oder Speicher ==> Risiko wächst exponentiell, nicht linear.
  • Zunehmende Lastspitzen und EE-Überschuss ==> Netzüberlastung & Spannungskollaps (besonders in den Mittelspannungsnetzen in Regionen wie NRW, Hessen, Franken)
  • Fehlende schnelle Flexibilität auf Erzeugungsseite ==> kaum Pumpspeicher bzw. kaum ein entsprechender Ausbau (möglich); Wasserstoff bleibt Zukunftsmusik. Stattdessen hängt die Netzstabilität an Stromimporten aus AKWs und Wasserkraft z. B. aus Frankreich oder Norwegen.
  • Zunehmend instabile Frequenzverläufe, was einen wichtigen Frühindikatoren darstellt ==> Unterfrequenz-Ereignisse <49,8 Hz nehmen zu, auch die „Momentanreserve“ fehlt, weil immer weniger rotierende Großgeneratoren zur Verfügung stehen (Stichwort Abschaltung Grundlastkraftwerke).

Conclusio

Wenn man die aufgeführten Faktoren ohne Schönfärbung betrachtet, ist Skepsis bzgl. unserer Netzstabilität mehr als gerechtfertigt. Das Risiko steigt. Und zwar nicht wegen eines „einmaligen Extremwetters“, sondern systemisch.

Die drei wichtigsten Engpässe/Problemfelder sind aktuell dabei:

  • Fehlende Regelbarkeit und Sektorkopplung (==> ungeregelte PV-Anlagen).
  • Netzstabilität sinkt wegen fehlender rotierender Massen.
  • Trägheitslosigkeit und mangelnde Speicher für Dunkelflauten.

Die Wahrscheinlichkeit für einen Brownout bzw. anschließenden Blackout in den nächsten 12–24 Monaten in Deutschland ist deutlich höher als öffentlich kommuniziert – eine konservative Schätzung von 60–80 % ist aus meiner Sicht sachlich vertretbar, wenn nicht gegengesteuert wird.

Quellen:
Netzengpassmanagement im 2. Quartal 2024
Wikipedia – Stromerzeugung in Deutschland
Deutschlands Stromnetze sind instabil – das kostet uns Milliarden
Drohen uns zu Ostern Stromabschaltungen wegen des Solar-Booms?
EEG-Förderung und -Fördersätze
Blackout in Spanien und teilen Portugals, Frankreichs – Erste Infos
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz – Erfolgsgeschichte oder Kostenfalle?
Wikipedia – Erneuerbare-Energien-Gesetz
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): alles Wichtige 2025

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