

Big Brother – Bildquelle: Pixabay / TheDigitalArtist; Pixabay License
In zahlreichen Ländern will die Politik die Altersverifikation zur Nutzung von sozialen Medien einführen – mit der fadenscheinigen Begründung des „Kinderschutzes“. Wir haben schon zahlreiche Versuche in den letzten Jahren gesehen, dass das System eine Zensur des Internets über Gesetze (die dann an private Unternehmen „ausgelagert“ wurde) durchführt und den Zugang zum Internet zu kontrollieren versucht, um ihre Narrative nicht durch andere Sichtweisen zu gefährden. Gerade letzteres scheint im Kontext der „Jungen“ ein immer wichtigeres „Anliegen des Establishments“ zu sein – frei nach dem Motto: nur offizielle Nachrichten sind echte/gute Nachrichten.
Was bis dato in diese beiden Richtungen ging, hat nun eine neue Stellschraube erhalten: die digitale ID. Will man als Staat (im Auftrag der Strippenzieher im Hintergrund) eine Altersverifizierung für das Internet einführen, bedeutet das nichts anderes als dass JEDER diese Altersverifizierung durchführen werden muss. Zu Beginn wird man dies noch nicht so durchsetzen (können), aber es ist dann nur eine Frage der Zeit bis sich jeder Internetnutzer „ausweisen“ (Papiere, bitte!) muss. Und welche „Lösung“ ist dafür besser geeignet als die digitale ID (dID)?
Australien
Am 10. Dezember tritt in Australien ein Gesetz in Kraft, das Kindern unter 16 Jahren die Nutzung sozialer Medien untersagt, insbesondere Snapchat, Facebook, Instagram, Kick, Reddit, Threads, TikTok, Twitch, X und YouTube. Wer diese Medien nutzen möchte, muss nachweisen, dass er alt genug ist, und zwar mithilfe von Technologien zur Altersüberprüfung oder Gesichtserkennung, die von Biometrie- oder digitalen ID-Unternehmen bereitgestellt werden.
Was als einzigartiger Versuch begann, den negativen Auswirkungen sozialer Medien auf Jugendliche entgegenzuwirken, hat sich zu einem globalen Spektakel entwickelt, da Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt über ähnliche Maßnahmen nachdenken und abwarten, ob das australische Modell eine Standardisierung wert ist.
Die Debatte um das Gesetz ist besonders hitzig, da es Millionen von Nutzern – und einige der reichsten Unternehmen der Welt – betreffen wird. Meta und Google haben demonstrativ gegen das Gesetz protestiert, indem sie beliebte Kinderstars vor das australische Parlament brachten, um für YouTube zu sprechen, oder Andeutungen machten, dass sie das Gesetz wahrscheinlich nicht einhalten können.
Beobachter bezeichnen Australiens Initiative mittlerweile häufig als „Verbot“. Diese Woche titelte CNN: „What happens when you kick millions of teens off social media? Australia’s about to find out (Was passiert, wenn man Millionen von Teenagern aus den sozialen Medien verbannt? Australien wird es bald herausfinden)“. Einige Mitglieder des australischen Parlaments haben gefordert, das Gesetz auf Juni zu verschieben, für den Fall, dass eine vorzeitige Einführung die Gesellschaft insgesamt zum Erliegen bringt.
Auf lokaler Ebene dürften die unmittelbaren Folgen des 10. Dezembers eine Reihe mürrischer Teenager und eine neue Welle von Klagen gegen das Gesetz sein. Die globalen Auswirkungen sind jedoch viel größer, da die Dynamik rund um die Online-Regulierung zunimmt und die Staaten beginnen, tiefer in das Online-Ökosystem einzutauchen, um angebliche „Missstände aufzudecken“.
Europa
In der EU wird über das Thema Altersverifizierung hinaus auch eine weitere Ebene der sozialen Medien „gespielt“: Kinder-Influencer oder „Kidfluencer“. Ein Bericht des „Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments zum Schutz Minderjähriger im Internet“ stellt fest, dass Influencer, die in sozialen Medien aktiv sind, einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung des öffentlichen Diskurses gewonnen haben. Wenn die Influencer selbst minderjährig sind, ist ihr Einfluss auf Kinder umso größer.
Der Bericht betont „die besorgniserregende Verwendung von Bildern Minderjähriger durch ‚Eltern-Influencer‘ oder ‚Familien-Influencer‘ außerhalb jeglichen rechtlichen oder ethischen Rahmens, oft gegen finanzielle Vergütung, was ernsthafte Fragen hinsichtlich der Einwilligung, der Privatsphäre und der kommerziellen Ausbeutung von Minderjährigen aufwirft (the concerning use of minors’ images by ‚parent influencers‘ or ‚family influencers‘ outside of any legal or ethical framework, often in exchange for financial remuneration, raising serious questions about consent, privacy and the commercial exploitation of minors)“.
Die direkte Aufforderung an Minderjährige, beworbene Produkte zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene davon zu überzeugen, beworbene Produkte für sie zu kaufen, ist im Rahmen des Kidfluencer-Marketings sehr wahrscheinlich.
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(Direct exhortation to minors to buy advertised products or persuade their parents or other adults to buy advertised products for them is highly likely to happen via kidfluencer marketing.)
Der Bericht „fordert die Kommission auf, Minderjährige vor kommerzieller Ausbeutung zu schützen, unter anderem indem sie Plattformen verbietet, Kidfluencing zu monetarisieren oder anderweitig finanzielle oder materielle Anreize dafür zu bieten (calls on the Commission to protect minors from commercial exploitation, including by prohibiting platforms from monetising or otherwise providing financial or material incentives for kidfluencing)“. Er stellt fest, dass „bestimmte Mitgliedstaaten ihre bestehenden nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz von Kinderschauspielern auf minderjährige Influencer ausgeweitet haben (certain Member States have extended their existing national legal regimes protecting child actors to influencers who are minors)“ und schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten die Anwendung eines ähnlichen Regulierungsansatzes (aka Altersverifikation) in Betracht ziehen.
In politischen Diskussionen wie dieser werden nun die Strukturen und Systeme thematisiert, in denen die Online-Welt seit etwa zwei Jahrzehnten gefangen ist, und es wird gefragt, was uns diese Plattformen eigentlich gebracht haben. Die EU befasst sich nicht nur mit dem Alter, sondern auch mit der „mangelnden Transparenz bei der bezahlten Werbung für Produkte durch Social-Media-Influencer (lack of transparency about the paid promotion of products by social media influencers)“ und der Tatsache, dass es allgemein schwieriger geworden ist, zu erkennen, welche Inhalte bezahlt wurden und welche nicht.
Dies wiederum hängt mit der Frage der Empfehlungsalgorithmen und gezielten Feeds zusammen. Diese werden heutzutage häufig mit Deepfakes überflutet. Der Bericht „äußert auch Besorgnis über die rasche Verbreitung von KI-generierten Inhalten, die berühmte Persönlichkeiten, Online-Content-Ersteller und Marken imitieren und das Vertrauen der Nutzer für kommerzielle Zwecke oder zur Verbreitung von Desinformation ausnutzen (expresses concern about the rapid spread of AI-generated content impersonating famous personalities, online content creators and brands, which exploit users’ trust for commercial gain or for the dissemination of disinformation.)“.
Tatsächlich ist ein ganzer Abschnitt des Berichts der generativen KI und den damit verbundenen Risiken für Kinder gewidmet.
Auch hier wird der angebliche „Schutz unserer Kinder“ als Grund benannt, staatlicherseits in das „digitale Ökosystem“ eingreifen zu müssen. Und auch hier wird die digitale ID das Mittel der Wahl der EU sein.
Die EU, die Regulierungen leichter toleriert als die USA, strebt generell ein EU-weites digitales „Volljährigkeitsalter“ an, was vom Europäischen Parlament unterstützt wird; wir werden die Einführung einer wie auch immer gearteten Form des altersbezogenen Verbots für bestimmte Inhalte erleben. Das Vereinigte Königreich, wo Ofcom eine führende Rolle bei der Durchsetzung von Gesetzen zur Altersüberprüfung für Webseiten mit nicht jugendfreien Inhalten spielt, prüft ebenfalls ähnliche Maßnahmen für soziale Medien. Gleiches gilt für Pakistan und Singapur. Kanada und Neuseeland beobachten Australien aufmerksam. Malaysia ist bereits dem Beispiel Australiens gefolgt und hat angekündigt, ab 2026 soziale Plattformen auf Nutzer über 15 Jahren zu beschränken.
USA
Wer nun denkt, dass die USA sich dagegen stellen werden, irrt.
In den USA wird die Angelegenheit durch die Befugnis der Bundesstaaten eigene Gesetze zu erlassen und die Auslegung des Ersten Verfassungszusatzes erschwert. Verfassungsrechtlich wird es schwieriger sein, Alterskontrollen für soziale Plattformen durchzusetzen, da diese erfolgreich argumentiert haben, dass Gesetze, die eine Altersüberprüfung vorschreiben, die Meinungsfreiheit einschränken. Es hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass soziale Medien der neue öffentliche Raum sind und dass der Verlust des Zugangs zu ihnen den Verlust des Zugangs zur Gemeinschaft und zur Selbstdarstellung bedeutet.
Dazu eine Schlagzeile aus Newsweek: „America’s Social Media Ban Might Be Closer Than You Think (Amerikas Verbot sozialer Medien könnte näher sein, als Sie denken)“. Dieser Artikel stellt fest, dass Befürworter einer Beschränkung sozialer Medien auf Personen über 16 Jahren „argumentieren, dass solche Maßnahmen die zunehmenden Bedenken hinsichtlich der psychischen Gesundheit und Sicherheit mindern könnten, während Kritiker warnen, dass die Verdrängung von Teenagern aus den Mainstream-Plattformen sie in riskantere Online-Bereiche treiben könnte (argue such measures could ease mounting mental-health and safety concerns, while critics warn that forcing teens off mainstream platforms may drive them into riskier online spaces)“. Dabei wird auf ein Argument bzgl. des Zugangs zu Pornoseiten genutzt, in der die Altersüberprüfung für Webseiten mit nicht jugendfreien Inhalten dazu geführt hat, dass Nutzer auf nicht konforme Webseiten ausweichen, die noch extremer sind. Es gibt offenbar keine „riskantere“ Social-Media-Plattform als Instagram oder TikTok, die vor allem aufgrund ihrer Dominanz gefährlich sein sollen (Fragt sich nur für wen?).
Der Newsweek-Artikel weist weiter darauf hin, dass das Gesetz zum Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet (COPPA) Unternehmen verbietet, ohne nachweisliche Zustimmung der Eltern personenbezogene Daten von Kindern unter 13 Jahren zu erheben.
COPPA verbietet Kindern unter 13 Jahren nicht die Nutzung sozialer Medien, aber es macht Plattformen rechtlich verantwortlich, wenn sie jungen Nutzern erlauben, Konten zu erstellen und dann ohne Zustimmung der Eltern Daten zu erheben.
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(COPPA does not ban children under 13 from using social media, but it makes platforms legally responsible if they allow young users to create accounts and then collect data without a parent’s approval.)
Aber „wichtig ist, dass COPPA seit den Anfängen des Internets nicht wesentlich aktualisiert wurde, sodass es sich nicht auf Teenager im Alter von 13 bis 15 Jahren bezieht, keine Altersüberprüfung verlangt und die Durchsetzung weitgehend davon abhängt, ob Plattformen wissentlich Nutzer unter 13 Jahren hosten (importantly, COPPA hasn’t been substantially updated since the early internet era, so it does not address teenagers aged 13-15, does not require age verification, and leaves enforcement largely dependent on whether platforms knowingly host under-13 users)“. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass man darauf vertrauen muss, dass Plattformen Kinder ohnehin nicht ihre Webseiten nutzen lassen – was laut einer aktuellen Klage aber genau das ist, was Meta trotzdem zulässt.
In der Klage heißt es, Meta „versäumt es nicht nur, kleine Kinder von seinen Plattformen fernzuhalten, sondern vermeidet auch bewusst den Einsatz verfügbarer Verifizierungsinstrumente (not only fails to keep young children off its platforms but also knowingly avoids adopting available verification tools)“. Und hier schließt sich aus meiner Sicht der Kreis: Was wäre besser geeignet, eine digitale ID einzuführen, um diesen „gordischen Knoten“ zu zerschlagen? Auch wenn Big Tech derzeit noch gegen die Altersverifizierung zu „kämpfen“ scheint, werden sie selbst alsbald die dID als „Lösung“ anführen. Es ist aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit…
Conclusio
Auch wenn weltweit immer mehr Gesetze erlassen bzw. geprüft werden, um eine Altersverifikation für das Internet zwingend einzuführen, könnte es noch eine Weile dauern, da der Widerstand dagegen wächst. In Australien sind sich die Beteiligten kaum einig, ob das Verbot von Social Media für Kinder unter 16 Jahren eine gute Idee ist, und der 10. Dezember wird ein turbulenter Tag in den australischen Medien werden. Aber es gibt auch ein wachsendes Verständnis dafür, was Social Media mit uns macht.
In einer Pressemitteilung der Universität Sydney äußert sich Dr. Christina Anthony, Dozentin an der Business School, in einer ausgewogenen Weise zu diesem Thema. Kindern soziale Medien aus ihrem Leben zu nehmen, sagt sie, „ist eine massive Verhaltensänderung, die dazu führen kann, dass sie sich isoliert fühlen, ihre Routinen gestört werden und sogar die Art und Weise, wie sie gelernt haben, sich auszudrücken, beeinträchtigt wird (is a massive behaviour change that could leave them feeling isolated, disrupt routines, and even affect how they’ve learned to express themselves)“. Für mich zwar kein wirkliches Argument gegen die Einführung einer Altersüberprüfung, aber „man nimmt, was man kriegt“.
Dr. Anthony schränkt sich aber gleichzeitig selbst wieder ein, wenn sie sagt:
Aber selbst etwas, das wie eine Einschränkung erscheint, könnte die Tür zu gesünderen Strategien der Emotionsregulation öffnen, die im Laufe der Zeit zu einem verbesserten Wohlbefinden führen können.
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(But even something that seems like a limitation could open the door to learning healthier emotion regulation strategies that can result in improved well-being over time.)
Die Symptome des Entzugs von einer Sucht – und die Genesung, die möglich ist, sobald die Abhängigkeit nachgelassen hat. Auch eine Möglichkeit sich FÜR eine Altersverifikation auszusprechen.
Ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Monaten auch in der EU entsprechende Gesetze haben werden. Mit der parallelen Forderung nach der digitalen ID als technische Plattform dieser Überprüfung. Und dann für ALLE. Wollen wir wetten?
Quellen:
Australian eSafety Commissioner announces platforms covered by social media law
2025 Online Biometric Age Assurance Market Report & Buyers Guide
As Dec 10 deadline approaches, opponents of Australia social media law get louder
Battle intensifies over YouTube exemption for Australia’s social media ban
What happens when you kick millions of teens off social media? Australia’s about to find out
Age checks for social media not ready says Australian Parliamentary Committee
Brazil pushes ahead on legislation for ‘reliable age and identity verification’
2025 Deepfake Detection Market Report and Buyers Guide
The deeper harms of deepfakes: with no control over likeness, potential for abuse is huge
Social media needs age verification for users under 15, say 11 EU member states
EU Parliament supports age assurance to block kids under 16 from social media
Social media age legislation in Pakistan modeled on Australian under-16 ban
Singapore regulator studying age assurance for social media services
Malaysia plans social media age checks, pushes Meta to get proactive on online safety
Maryland age assurance lawsuit shows NetChoice digging in on First Amendment
America’s Social Media Ban Might Be Closer Than You Think
Is age verification killing porn site traffic? Aylo says yes, AVPA says no
COPPA changes specify children’s biometrics and government IDs for protection
Transcript: US Senate Hearing on ‚Examining Whistleblower Allegations that Meta Buried Child Safety Research‘