Thomas Loren Friedman, US-amerikanischer Journalist , Kolumnist, Pulitzer-Preisgewinner und Autor bei der – nicht ganz unbedeutenden – New York Times für Themen rund um Außenpolitik, Welthandel, dem Nahen Osten, Globalisierung und Umwelt.
Jener Friedman hat nun in einem Artikel mit dem Titel Walls, Borders, a Dome and Refugees (Mauern, Grenzen, eine Kuppel und Flüchtlinge) in der Print-Ausgabe der NY Times am 9. September folgendes geschrieben:
If we’re honest, we have only two ways to halt this refugee flood, and we don’t want to choose either: build a wall and isolate these regions of disorder, or occupy them with boots on the ground, crush the bad guys and build a new order based on real citizenship, a vast project that would take two generations. We fool ourselves that there is a sustainable, easy third way: just keep taking more refugees or create ‘no-fly zones’ here or there.
(Wenn wir ehrlich sind, haben wir nur zwei Möglichkeiten dieser Flüchtlingsflut Einhalt zu gebieten, und beide wollen wir eigentlich nicht wählen: eine Mauer bauen und diese Regionen der Unordnung isolieren, oder sie mit Soldaten besetzen, die bösen Jungs vernichten und eine neue Ordnung aufbauen, die auf echte Staatsbürgerschaft basiert, ein riesiges Projekt, das zwei Generationen dauern würde. Wir täuschen uns, wenn wir glauben, dass es einen nachhaltigen, leichten, dritten Weg gibt: einfach so weitermachen und mehr Flüchtlinge aufnehmen oder hier und dort “Flugverbotszonen” zu schaffen.)
Diese Aussage Friedmans bestätigt eigentlich nur den Schluß, der bereits im Artikel Migranten aus Syrien: Die Menschen werden wieder einmal für geopolitische Zwecke missbraucht angerissen wurde: Migranten und Flüchtlinge als geopolitisches Machtinstrument – auch wenn diese Wahrheit in unserer Hochleistungspresse kein Thema ist, sollten wir davor nicht die Augen verschließen.
Schon im Sommer 2010 veröffentlichte die US-Politikwissenschaftlerin Kelly M. Greenhill ihr Buch Weapons of Mass Migration – Forced Displacement, Coercion, And Foreign Policy (Massenmigrationswaffen – Vertreibung, Erpressung und Außenpolitik). Ein Auszug daraus wurde kurz danach in der Fachzeitschrift Strategic Insights publiziert. Ein absolut lesenswerter Teilausschnitt aus dem Buch Greenhills (leider nur in englischer Sprache). Dabei ist Kelly M. Greenhill nicht irgendwer:
Nicht gerade jemand, der auf den Kopf gefallen zu sein scheint und deren Forschungen sich auf
foreign policy, the use of military force and what are frequently called “new security challenges,” including civil wars; the use of forced migration as a weapon; intervention and (counter-) insurgency; and international crime as a challenge to domestic governance.
(Außenpolitik, die Anwendung militärischer Gewalt und was häufig als “neue sicherheitspolitische Herausforderungen” bezeichnet wird, einschließlich Bürgerkriege; der Einsatz von Zwangsmigration als Waffe; Intervention und (Gegen-)Aufstand; und die internationale Kriminalität als Herausforderung für die inländische Governance.)
konzentriert.
Nicht zu vergessen, dass sie zudem als Autorin für die Zeitschrift Foreign Affairs des Council On Foreign Relations und für die NY Times, für die auch der eingangs erwähnte Thomas Friedman schreibt, tätig ist. In einem ihrer Artikel für die NYT vom 20. April 2011 geht sie auf den vom Westen initiierten Krieg gegen Libyen ein und schreibt dort folgendes:
In the early days of what grew into the Libyan uprising, Muammar el-Qaddafi summoned European Union ministers to Tripoli and issued an ultimatum: Stop supporting the protesters, or I’ll suspend cooperation on migration and Europe will be facing a human flood of from North Africa.
Given Libya’s history as an attractive transit point for North Africans seeking entry to Europe, it was a credible threat.
For one thing, it has worked to varying degrees at least four times in the last decade alone. Indeed, it was only the European Union’s promise to lift the last remaining sanctions against Libya in the fall of 2004 that persuaded Qaddafi to staunch what was then viewed as an alarmingly large flow of North Africans onto the tiny Italian island of Lampedusa and, from there, onto the Continent. To that point in 2004, about 9,000 people had landed on Lampedusa, 1,600 of whom arrived in the month prior to conclusion of the agreement between Brussels and Tripoli.
Although these numbers were not trivial, they were nothing compared to the predicted 750,000 to one million North Africans anticipated by Western European leaders this time around. Little wonder then that Prime Minister Silvio Berlusconi of Italy tried to maintain good relations with Libya for as long as he found it diplomatically possible.
(In den frühen Tagen von dem, was zum libyschen Aufstand heranwuchs, lud Muammar el-Gaddafi Minister der Europäischen Union nach Tripolis ein und stellte ein Ultimatum: Stoppen Sie die Unterstützung der Demonstranten, oder ich werde die Zusammenarbeit in Fragen der Migration aussetzen und Europa wird sich einer Menschenflut aus Nordafrika ausgesetzt sehen.
Angesichts von Libyens Geschichte als attraktives Transitland für Nordafrikaner, die den Zugang nach Europa suchen, war es eine glaubwürdige Drohung.
Zum einen hat es in unterschiedlichem Umfang mindestens vier Mal in den letzten zehn Jahren funktioniert. In der Tat hat nur das Versprechen der Europäischen Union, die letzten verbleibenden Sanktionen gegen Libyen im Herbst 2004 aufzuheben, Gaddafi überredet, was damals als eine alarmierend große Welle von Nordafrikanern, die auf die kleine italienische Insel Lampedusa und von dort dann auf den Kontinent flüchten wollten, angesehen wurde, einzugehen. Bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2004 waren etwa 9.000 Menschen auf Lampedusa angelandet, 1.600 von ihnen kamen im Monat vor dem Abschluss der Vereinbarung zwischen Brüssel und Tripoli an.
Obwohl diese Zahlen nicht trivial waren, waren sie nichts im Vergleich zu den prognostizierten 750.000 bis eine Million Nordafrikanern, die von den westlichen europäischen Staats- und Regierungschefs dieses Mal erwartet werden. Kein Wunder also, dass Ministerpräsident Silvio Berlusconi in Italien versucht, die guten Beziehungen zu Libyen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, zumindesten solange wie er es diplomatisch als möglich erachtet.)
Nochmals zur Verdeutlichung: dieser Artikel stammt vom April 2011 – also vier (!) Jahre vor der jetzt eingesetzten Migrationswelle, die doch so überraschend für unsere Politdarsteller und unsere Hochleistungspresse kam.
Setzt man nun die Forschung Greenhills und ihre frei zugänglichen Publikationen in einen Kontext mit den Äußerungen von Thomas Friedman, verdichten sich die Annahmen, dass der Westen die Migranten und auch die aufnehmenden Menschen in den Zielländern bewusst getäuscht, mißbraucht und benutzt, um die eigentliche Agenda für Syrien final umsetzen zu können:
Syrien militärisch besetzen, Assad stürzen und das Land in das gleiche Chaos wie den Irak, Afghanistan und Libyen (etc. pp.) stürzen, um dort die ureigensten Interessen für den Nahen Osten (unter anderem auch den Rauswurf Russland aus Syrien) umsetzen zu können.
Man darf gespannt sein, wann die Stimmung in Europa zugunsten eines militärischen Eingreifens in Syrien kippt. Ein Eingreifen, dass man schon (fast verzweifelt) mit der False Flag Operation Giftgasangriff versuchte zu erreichen. Nur zu dem dumm, dass die Bevölkerung zu jenem Zeitpunkt weder in den USA, noch in Großbritannien, noch in Deutschland ein solches Eingreifen wollte und dieses strikt ablehnte. Trotz Propaganda und falschen Anschuldigungen gegenüber Assad durch die Hochleistungspresse und unsere Politkaste.
Nochmals Friedmann zu einem militärischen Eingreifen in Syrien:
Start with the fact that probably the only way to produce a unified, pluralistic, multi-sectarian Syria is for an international army to come in, take over the country, monopolize all weaponry and referee a long transition to consensual rule.
(Beginnen Sie mit der Tatsache, dass es wahrscheinlich der einzige Weg, um ein einheitliches, pluralistisches, multi-sektiererisches Syrien zu erreichen, der von einer internationalen Armee ist, die das Land übernimmt, alle Waffen monopilisiert und einen langen Übergang hin zu einer einvernehmlichen Regelung unparteiisch begleitet.)
Nun mag der eine oder andere einwenden, dass die Fluchtbewegungen aus Syrien die Folgen eines Bürgerkriegs sind, sie aber nie zur Rechtfertigung eines militärischen Eingreifens gedacht waren. Denen sei die neueste Veröffentlichung von Wikileaks ans Herz gelegt. Dort heißt es unter anderem:
In the case of Syria, the cables [documents] show that regime change had been a longstanding goal of US policy; that the US promoted sectarianism in support of its regime-change policy, thus helping lay the foundation for the sectarian civil war and massive bloodshed that we see in Syria today; that key components of the Bush administration’s regime-change policy remained in place even as the Obama administration moved publicly toward a policy of engagement; and that the US government was much more interested in the Syrian government’s foreign policy, particularly its relationship with Iran, than in human rights inside Syria. [Hervorhebung durch www.konjunktion.info]
(Im Fall von Syrien zeigen die Kabel [Dokumente], dass ein Regimewechsel ein langjähriges Ziel der US-Politik gewesen ist; dass die USA Sektierertum zur Unterstützung seiner Politik des Regimewechsels befördert und so den Grundstein für den sektiererischen Bürgerkrieg und das massive Blutvergießen, das wir heute in Syrien sehen, gelegt hat; dass die Schlüsselkomponenten der Politik eines Regimewechsels der Bush-Regierung in Kraft blieb, auch wenn die Obama-Regierung öffentlich zu einer Politik des Dialogs wechselte; und dass die US-Regierung viel mehr an der Außenpolitik der syrischen Regierung interessiert war, vor allem ihre Beziehungen zum Iran, als an den Menschenrechten in Syrien [Hervorhebung durch www.konjunktion.info].)
[…] The issue then got a little interesting here, most specifically when it comes to analyzing the current Syrian refugee crisis:
It was easy to predict then that, while a strategy of promoting sectarian conflict in Syria might indeed help undermine the Syrian government, it could also help destroy Syrian society…. [Hervorhebung durch www.konjunktion.info]
So, while the sectarian character of the civil war in Syria is now publicly bemoaned in the West, it seems fair to say that in 2006 the US government foreign policy apparatus believed that promoting sectarianism in Syria was a good idea, which would foster ‘US interests’ by destabilizing the Syrian government.
(Die Sache wird hier dann ein wenig interessanter, insbesondere wenn es um die Analyse der derzeitigen syrischen Flüchtlingskrise geht:
Es war dann leicht vorherzusagen, dass, während eine Strategie der Förderung eines sektiererischen Konflikt in Syrien in der Tat helfen könnte die syrische Regierung zu untergraben, es auch dazu beitragen könnte die syrische Gesellschaft zu zerstören…. [Hervorhebung durch www.konjunktion.info]
Während der sektiererische Charakter des Bürgerkriegs in Syrien nun öffentlich im Westen beklagt wird, so scheint es fair zu sein zu sagen, dass im Jahr 2006 der Außenpolitikapparat der US-Regierung annahm, dass die Förderung des Sektierertums in Syrien eine gute Idee war, die die “US-Interessen” fördern würde, indem man die syrische Regierung destabilisierte.)
Natürlich ist dies noch kein 100%-iger, stichhaltiger Beweis, aber es zeigt, dass das “Spiel” seit 2006 gespielt wird – viel länger als bisher von vielen angenommen. Zudem verdeutlicht es für mich, dass hier sehr wohl eine Strategie Washingtons “abgearbeitet” wird. Gerade weil wir auch die Aussagen des US-Generals Wesley Clark seit Jahren kennen, wo er auf “geplante Kriege gegen sieben Länder in fünf Jahren” eingeht. Darunter eben auch Syrien:
Of course, we know that there are different approaches to Syria. By the way, people are running away not from the regime of Bashar Assad, but from Islamic State, which seized large areas in Syria and Iraq, and are committing atrocities there. That is what they are escaping from.
They [IS] kill hundreds and thousands of people, burn them alive or drown them, cut off people’s heads. How are people supposed to live there? Of course, they run away.
(Natürlich wissen wir, dass es verschiedene Ansätze bzgl. Syrien gibt. Übrigens flüchten die Menschen nicht vor dem Regime von Baschar al-Assad, sondern vor dem Islamischen Staat, der große Gebiete in Syrien und dem Irak besetzt hat und Gräueltaten begeht. Das ist es, wovor sie auf der Flucht sind.
Sie [die IS] töten Hunderte und Tausende von Menschen, verbennen sie lebendig oder ertränken sie, schneiden die Köpfe der Menschen ab. Wie sollen dort die Menschen leben? Natürlich laufen sie weg.)
Ich persönlich bin gespannt, wie lange es noch dauert bis wir massive Forderungen nach einem militärischen Eingreifen in Syrien aufgrund der Massenflucht hören. Ich denke, dass wird keinen Monat mehr dauern…
Quellen:
Thomas Friedman Is Calling for a New World Order in Syria
Wikipedia – Thomas Friedman
Flüchtlingskrise: Ist Deutschland Opfer einer »Massen-Migrationswaffe«?
Weapons of Mass Migration: Forced Displacement as an Instrument of Coercion
Belfer Center – Kelly M. Greenhill
Department of Political Science Tufts University – Kelly M. Greenhill
Foreign Affairs – Kelly M. Greenhill
BOL – Weapons of Mass Migration
Migration & Erpressung – Die neue Superwaffe
Using Refugees as Weapons
General Wesley Clark: Wars Were Planned – Seven Countries In Five Years