Dass die ehemals Grünen inzwischen olivgrün daher kommen und (fast) all ihre Gründungsthemen über Board geworfen haben, sowie sich in den Selbstbedienungsläden Land- und Bundestag korrumpieren haben lassen, dürfte inzwischen selbst am hartgesottensten Grünen-Wähler nicht komplett vorbei gegangen sein.
Ein neues Beispiel für die “Wandlungsfähigkeit” der Olivgrünen sehen wir in der Person des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der Anfang Dezember 2014 noch in einem Focus-Artikel mit dem Titel Kretschmann sorgt sich wegen des Freihandelsabkommens TTIP folgendermassen zitiert bzw. erwähnt wird:
“Es ist klar, dass wir alle im Prinzip mehr Freihandel wollen.” Doch es gebe noch sehr umstrittene Details des geplanten Abkommens, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch bei seinem Besuch in Brüssel. Dazu gehöre das Thema Schiedsgerichtsverfahren. Dabei geht es darum, dass Konzerne Schadenersatz von Staaten einklagen können. Kretschmann verwies darauf, dass zum Schluss möglicherweise auch der Bundesrat ein Mitspracherecht beim Thema TTIP habe.
Ein gutes halbes Jahr später liest sich das Ganze dann in einem Handelsblatt-Interview mit dem Titel “TTIP ist eine große Chance” so:
HB: Wie stehen Sie zu TTIP?
WK: Meine Landesregierung hat da ein “Ja, aber” formuliert. Wir exportieren gut zwei Drittel unserer Produkte, wir brauchen Freihandel. Aber es müssen klare Regeln gelten – beim Verbraucherschutz, bei den Schiedsgerichten dürfen wir keine Abstriche machen. Da geht es um das Primat der Demokratie. Da müssen wir hart verhandeln. Unterm Strich ist TTIP eine große Chance. Wir müssen zusammen mit den USA Standards setzen – sonst setzen sie andere, die Asiaten zum Beispiel.
Die Sorgen des Herrn Kretschmann sind also in wenigen Monaten – trotz der neu aufgetauchten Details zu TTIP, die für mich ganz klar den undemokratischen Charakter und das Ziel der Ausbeutung der Menschen im Sinne der Konzerne aufzeigen – zu einer “großen Chance” geworden.
Da stellt sich einem unweigerlich die Frage, warum er von seiner zuvor – na ja, halbwegs – kritischen Meinung zu TTIP abgewichen ist? Greift auch hier die gelebte Realität, dass Kretschmann – wie die Bundeskanzlerdarstellerin Merkel – nicht frei in seinen Entscheidung (mehr) ist?
Wobei schon die Aussage im Dezember “Es ist klar, dass wir alle im Prinzip mehr Freihandel wollen.” nichts anderes als eine inhaltsleere Worthülse ist, die seltsamerweise von den Bürgern nicht geteilt wird. Die letzte im Netz zu findende Umfrage (deren Wert und Aussagekraft man sowieso immer mit Vorsicht geniessen muss), besagt, dass 61% der Befragten TTIP im Februar ablehnen:
Der Rückhalt in der Bevölkerung für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA schwindet deutlich. Nachdem im Oktober noch 48 Prozent der Bundesbürger die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) gut fanden, sind es aktuell nur noch 39 Prozent. Das geht aus einer Emnid-Umfrage für die Verbraucher-Organisation Foodwatch hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Aber was interessieren unsere Politdarsteller schon die Meinungen und die Wünsche der Bürger, die sie bezahlen?
Eines muss uns, unabhängig von einem Umfaller des Grünen Kretschmann, klar sein: Ist TTIP erst einmal institutionalisiert, haben wir die Demokratie – wie wir sie bis jetzt mit all ihren Fehlern kennen – de facto abgeschafft. Denn dann werden wir nur noch über belangslose Dinge abstimmen und entscheiden dürfen. Dinge, die die Geschäfte der Konzerne nicht stören. Ein Ausstieg aus der Atomenergie wäre dann zum Beispiel unmöglich. Denn jedes Gesetz, jede Änderung müsste dann aus “TTIP-Sicht” bewertet werden. Und wie ein solches Ergebnis dann aussieht, kann sich jeder selber ausmalen.
Wer glaubt, dass Regierungen und Bürger trotz TTIP immer noch Einfluss auf die nationalen Firmen nehmen könnte (TTIP ist ja zu allererst auf ausländische Konzerne ausgerichtet), unterliegt einem Fehlschluss. Denn ist TTIP eingeführt, werden die Konzerne Überkreuzbeteiligungen eingehen und somit alle zu internationalen Unternehmen mutieren. Oder man verlegt den Firmensitz gleich in die USA oder nach Kanada. TTIP ist das Instrument der Konzerne, um die Politik Schach matt zu setzen.
Und jeder Politiker, der dieses Monstrum befürwortet und unterstützt, vertritt nicht die Interessen seiner Wähler bzw. Bürger. Punkt.