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Social Credit-System: Gestern China, heute Venezuela – morgen der Rest der Welt?Lesezeit: 7 Minuten

Als ich den ersten Artikel über das chinesische Sesame Credit-System (heute Social Credit) verfasste, schrieb man den 23.Dezember 2015. Ich schloß den damaligen Eintrag NWO: Der beste Weg der staatlichen Überwachung ist die Selbstkontrolle mit den Worten:

Einige Dinge mögen in diesem System des “Sesame Credit” erst in einigen Jahren vollständig implementiert sein und daher mag es seine wahre Effektivität noch verbergen können, aber es wird durch den Charakter der Selbstzensur und Selbstüberwachung das effektivste Instrument der Eliten sein, um ihre Stellung bewahren und ihre Vorstellung einer neuen Ordnung umsetzen zu können.

Und eines dürfte klar sein: es ist nur eine Frage der Zeit bis auch hier bei uns dieser feuchte Traum der Überwachungsjunkies und selbsternannten Eliten diskutiert und dann eingeführt wird.

Die staatlichen Begehrlichkeiten – auch in Europa – ein ähnliches System zu implementieren sind heute für jeden sichtbar, der es nur sehen will. Auch der Westen will lieber heute als morgen ein “Social Credit”-Bewertungssystem nach chinesischem Muster einführen, um jeden Bürger zu taxieren. Während Peking das Zieljahr 2020 ausgegeben hat, scheint eine “staatliche Bewertung des Verhalten eines Bürgers” in anderen Ländern noch in ferner Zukunft zu liegen. Aber ist es wirklich so, dass man nur in China ein System aktiv umsetzt, dass das Verhalten eines Menschen, das Befolgen von Regeln, das Abnicken staatlicher Propaganda, das kritiklose Dasein als “guter Bürger”, dass all das nur ein Traum der Kommunistischen Partei Chinas ist? Dass nur Peking das “Fehlverhalten seiner schlechten Bürger” (Besuch systemkritischer Websiten, gesellschaftliches politisches Engagement jenseits des Politwillens der Regierung, selbst das “Kennen von Menschen” mit einem niedrigen Social Credit-Wert) bestrafen will? Dass nur das Riesenreich Menschen ausschließen will, wenn diese nicht dem “entsprechen”, wie die Regierung ihre Bürger “haben will”, und sie bzw. ihre Kinder via Studienverbot an öffentlichen Universitäten, Arbeitsverbot in bestimmten Branchen, usw. entrechtet?

Sicherlich kann sich jeder vorstellen, dass dieses System weltweit von Regierungen beobachtet und als positiv empfunden wird. Mit Venezuela hat sich nun ein weiteres Land daran gemacht, sein sozialistisches Paradies mittels einer neuen Identifikationskarte umzusetzen, mit deren Hilfe man die Bürger und ihre Aktivitäten nachverfolgen und eine Datenbank befüllen kann. Angefangen von medizinischen Aufzeichnungen bis hin zu politischen Meinungsäußerungen und Einträgen in sozialen Netzwerken. Alles landet nun auch in Venezuela direkt bei der Regierung.

Interessanterweise wird das System in Venezuela nicht nur vom chinesischen Telekomunternehmen ZTE aufgebaut; jetzt haben auch Regierungsvertreter in Caracas offen zugegeben, dass die gesamte Idee ID-Karten zum Nachverfolgen, Beobachten und Speichern in einer Datenbank seinen Ursprung einem Besuch der venezolanischen Regierung und einer Vorstellung des chinesischen Social Credit-Programms bei ZTE vor 10 Jahren zu verdanken hat.

Der Name des Programms im südamerikanischen Land: Vaterland-Karte (Carnet de La Patria).

Wenig überraschen ist dabei, dass die venezolanische Regierung alles daran setzt, das Verhalten ihrer Bürger zu kontrollieren und in dessen Folge zu sanktionieren. Es ist aber eine echte Überraschung, dass unsere Hochleistungspresse Caracas dafür angreift. Von Slate bis Reuters und Texas Standard – alle schreiben von der Orwellschen Gefahr der kompletten Kontrolle durch die venezolanischen Regierung. Selbst die Washington Post als CIA-Frontorgan schreibt:

China exportiert seinen High-Tech-Autoritarismus nach Venezuela. Das muss gestoppt werden.

(China exports its high-tech authoritarianism to Venezuela. It must be stopped.)

Aber warum prangern gerade jene Medien den Autoritarismus Venezuelas (und Chinas) an, während sie ansonsten für jede Form der Überwachung und Kontrolle der Menschen im eigenen Land sind?

Die Antwort auf diese Frage ist relativ einfach: betrachtet man eine Karte von Ländern, die sich im Fadenkreuz der US-Außenpolitik befinden, und legt darüber eine Karte mit Staaten, die von der Hochleistungspresse (ganz offiziell) kritisiert und angegangen werden dürfen, ist diese mehr oder weniger deckungsgleich. Die Hochleistungspresse verfasst nur zu gerne Artikel über den “Feind” und verabscheut es regelrecht die eigenen Regierungen zu kritisieren.

Dabei wissen wir zur Genüge, dass diese Bewertungs- und andere Überwachungstechnologien bereits auch in unseren Ländern getestet und implementiert (z.B. Gesichtserkennung an Bahnhöfen) werden. Unsere angeblich so heile Welt, unsere angeblich so demokratischen Regierungen sind ganz vorne mit dabei, wenn es um biometrische Scanner geht, um staatlich ausgegebene ID-Karten mit Trackingfunktion und selbst Belohungssysteme für “brave Bürger” gibt es bereits in Kanada. All die für ein Social Credit-Überwachungssystem notwendigen Technologien sind entweder schon vorhanden oder werden gerade implementiert. Wenn sich also unsere Hochleistungspresse über das chinesische und venezolanische Social Credit-Programm echauffiert und gleichzeitig die “heimischen Bestrebungen” in diese Richtung positiv bewertet, kann man dann von Doppelsprech reden?

Dazu nochmals ein Blick auf die Washington Post. Diese veröffentlichte letztens einen Artikel, in dem sie die Leser ermahnte, dass

Der Westen […] in Bezug auf Chinas Sozialkreditsystem falsch [liegen könnte].

(The West may be wrong about China’s social credit system.)

Ich lege jedem den Artikel ans Herz, um die Doppelzüngigkeit zu erkennen, die langsam aber sicher Einzug hält, um die eigenen, staatlichen Bestrebungen im Westen nach einem solchen System nicht mehr weiter zu untergraben. Interessant an diesem Artikel ist insbesondere, dass er aus der Zusammenarbeit der Washington Post mit dem Berggruen Institute stammt. Der höchst interessante Teil in dieser Partnerschaft mit dem Namen The World Post ist das Berggruen Institute. Eine Denkfabrik, die auf Nicolas Berggruen, einem deutsch-US-amerikanischen Investor (Stichwort: Karstadt) zurück geht, die laut ihrer Website eine Transformation der Menschen anstrebt:

Die Transformationen des Menschen

Das Programm “Transformations of the Human” ist als philosophische Studie und künstlerische Erforschung der vielfältigen Möglichkeiten konzipiert, bei der Künstliche Intelligenz und Biotechnologie unsere etablierten Vorstellungen von dem, was es bedeutet, menschlich zu sein, herausfordern. Das Ziel des Programms ist es, Philosophen und Künstler an wichtigen Forschungsstandorten zu platzieren, um den Dialog mit Technologen zu fördern. Ziel des Programms ist es, KI und Biotech als ungewöhnlich potente Experimentierorte sichtbar zu machen, um unser Vokabular für das Nachdenken über uns neu zu formulieren. Die Ambition beim Transformations of the Human-Programm besteht darin, unsere Erkenntnisse in die Produktion künstlicher Intelligenz und Biotechnologie einzubringen und dadurch sowohl zur menschlichen als auch zur nichtmenschlichen Blüte beizutragen.

(The Transformations of the Human

The “Transformations of the Human” program is designed as a philosophical study and artistic exploration of the manifold ways in which artificial intelligence and biotechnology challenge our established conceptions of what it means to be human. By placing philosophers and artists in key research sites to foster dialogue with technologists, the aim of the program is to render AI and Biotech visible as unusually potent experimental sites for reformulating our vocabulary for thinking about ourselves. The Transformations of the Human program ambition is to feed our findings back into the production of both artificial intelligence and Biotech and to thereby contribute to both human and non-human flourishing.)

Mit einem Wort Transhumanismus.

Wir werden in naher Zukunft noch weit mehr dieses Doppelsprechs in der Hochleistungspresse finden, mit dessen Hilfe sie den “gordischen Knoten” auflösen wollen, warum Social Credit-Systeme und die totale Überwachung der Öffentlichkeit zwar ein dystopischer Alptraum in Ländern wie China und Venezuela (und ein paar anderen Ländern) ist, aber ein wahr gewordener Traum in den westlichen Staaten. Sie werden versuchen, uns Social Credit und die totale Kontrolle als notwendig zu verkaufen. Sie werden ihre Propagandamacht einsetzen, damit wir nicht kritisch ihre Doppelzüngigkeit hinterfragen. Denn sie sind nur die Erfüllungsgehilfen und Propagandamarktschreier eines korrupten Systems, dass den Menschen per Technologie “verbessern” und damit seiner Menschlichkeit berauben will. Zum Nutzen einer kleinen, elitären Gruppe.

Quellen:
Venezuela Joins the Social Credit Club
NWO: Der beste Weg der staatlichen Überwachung ist die Selbstkontrolle
China’s “Social Credit System” Has Caused More Than Just Public Shaming (HBO)
China to bar people with bad ‘social credit’ from planes, trains
Venezuela is rolling out a new ID card manufactured in China that can track, reward, and punish citizens
Chinese telecom giant ZTE ‘helped Venezuela develop social credit system’
Venezuela Shows Us How China Is Starting to Export Its Authoritarian Surveillance Tech
How ZTE helps Venezuela create social control
Venezuela’s Fatherland ID Card Raises Privacy Concern
Washington Post: fake-news partner with the CIA
China exports its high-tech authoritarianism to Venezuela. It must be stopped.
Delta says USA’s ‘first biometric terminal’ is ready to go at Atlanta airport
My Number law takes effect amid privacy fears
It Begins: Canadian Gov Rolls Out Points To Reward Good Citizens
The West may be wrong about China’s social credit system
Wikipedia – Nicolas Berggruen
Berggruen Institute – The Transformations of the Human

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Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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