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USA und China: Der Kampf um die Vorherrschaft im “Indo-Pazifik”Lesezeit: 9 Minuten

Die US-amerikanischen Militärplaner und deren Lakaien beginnen gerade damit, ihre Nomenklatur zu verändern. Washington spricht zunehmend nicht mehr vom asiatisch-pazifischen Raum (Asia-Pacific), sondern von Indo-Pacific (indo-pazifischer Raum).

Was auf den ersten Blick, wie eine unbedeutende Änderung daher kommt, zeigt bei näherer Betrachtung durchaus weitgreifendere Folgen.

Rex Tillerson - Bildquelle: Wikipedia / Office of the President-elect, Creative Commons Attribution 4.0 International

Rex Tillerson – Bildquelle: Wikipedia / Office of the President-elect, Creative Commons Attribution 4.0 International

Der Ausdruck Indo-Pacific wurde erstmals im letzten Jahr vom – jetzt ehemaligen – US-Außenminister, Rex Tillerson, in seinen Remarks on ‘Defining Our Relationship With India for the Next Century (Bemerkungen zur ‘Definition unserer Beziehung zu Indien für das nächste Jahrhundert) verwendet. Bereits kurz darauf begannen die üblichen Propagandablätter im englischsprachigen Raum diese Bezeichnung zu übernehmen. Auch der Council on Foreign Relations “nahm sich des Begriffs an” – was sicherlich kein Zufall sein dürfte.

Als im vergangenen Jahr der US-Präsident Donald Trump seine Asienreise unternahm, ging ein Sprecher des Weißen Hauses in einem Interview mit der India Economic Times auf diese Wortschöpfung ein und stellt fest, dass es “die Bedeutung des Aufstiegs Indiens erfasst (captures the importance of India’s rise)”.

Sicherlich steckt hinter diesem neuen Narrativ ein Funken Wahrheit. Denn Indien ist eine aufsteigende Macht, die selbst China beim Wirtschaftswachstum überholt hat und wo die internationalen Investoren inzwischen Schlange stehen, um ihr Fiat-Geld einzubringen.

Aber sicherlich ist nicht allein der Aufstieg Indiens der einzige Grund, warum Washington plötzlich eine ganze, strategisch sehr wichtige Region umbenennt. Diese Änderung dürfte zuallererst damit zu tun haben, dass die USA ein starkes Interesse daran haben, Indien als Vasallen und potenziellen Gegner einzusetzen, um den weiteren Aufstieg einer anderen Macht zu verhindern: eben China.

Diese Einschätzung habe ich natürlich nicht exklusiv, denn Rex Tillerson ließ die Welt folgendes bei seinen (selbstreflektierend gemeinten?) Anmerkungen zu Indien wissen:

[…] die sehr internationale Ordnung, die Indiens Aufstieg – und das vieler anderer – begünstigt hat, gerät zunehmend unter Druck.

China ist, während es neben Indien an Bedeutung zunimmt, weniger verantwortungsbewusst und untergräbt manchmal die internationale, auf Regeln basierende Ordnung, obwohl Länder wie Indien in einem Rahmen agieren, der die Souveränität anderer Nationen schützt.

Chinas provokative Aktionen im Südchinesischen Meer stellen die internationalen Gesetze und Normen, für die die USA und Indien stehen, direkt in Frage.

Die Vereinigten Staaten streben konstruktive Beziehungen zu China an, aber wir werden uns nicht vor Chinas Herausforderungen für die auf Regeln basierende Ordnung zurückziehen, und wo China die Souveränität der Nachbarländer untergräbt und die USA und unsere Freunde benachteiligt.

In dieser Zeit der Unsicherheit und der Angst braucht Indien einen verlässlichen Partner auf der Weltbühne. Ich möchte klarstellen: Mit unseren gemeinsamen Werten und Visionen für globale Stabilität, Frieden und Wohlstand sind die Vereinigten Staaten dieser Partner.

([…]the very international order that has benefited India’s rise – and that of many others – is increasingly under strain.

China, while rising alongside India, has done so less responsibly, at times undermining the international, rules-based order even as countries like India operate within a framework that protects other nations’ sovereignty.

China’s provocative actions in the South China Sea directly challenge the international law and norms that the United States and India both stand for.

The United States seeks constructive relations with China, but we will not shrink from China’s challenges to the rules-based order and where China subverts the sovereignty of neighboring countries and disadvantages the U.S. and our friends.

In this period of uncertainty and somewhat angst, India needs a reliable partner on the world stage. I want to make clear: with our shared values and vision for global stability, peace, and prosperity, the United States is that partner.)

Im Artikel China und Indien: Der Kampf um die regionale Vorherrschaft bin ich bereits im August 2017 auf die zunehmend schlechter werdenden Beziehungen zwischen Neu Delhi und Peking eingegangen, als Indien eine Teilnahme am ersten Belt and Road Forum for International Cooperation ablehnte. Das im Mai in Peking stattgefundene Forum hatte 29 Staatsführer zusammengebracht, damit diese das Billionen schwere chinesische One Belt One Road-Projekt (OBOR) diskutieren konnten. OBOR zielt auf den Ausbau der Handelswege ab, sowie auf Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte in der gesamten Region. Betrachtet man die immensen Summen die Peking in den letzten Jahren für dieses Projekt aufgebracht hat, dann ist die “Extase” so manches “Regionalfürstens” nachvollziehbar, wenn die Sprache auf OBOR kommt. Denn die Logik dahinter ist einfach zu durchschauen: Pekings gibt Geld für Infrastruktur- und Entwicklungsmaßnahmen und erhält im Gegenzug Zutritt für die chinesischen Firmen auf die heimischen Märkte.

Indien dagegen wollte an dieser “Party” nicht teilnehmen und äußerte Bedenken bzgl. des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC). Ein 60 Milliarden US-Dollar teures Infrastrukturprojekt, dass dabei helfen sollte, Teile des pakistanischen Grenzgebietes zu Indien zu entwickeln. Ein Gebiet, in dem Indien mit seinem pakistanischen Erzrivalen im Streit liegt. Neu Delhi befürchtete, dass China seine finanzielle Stärke einsetzen würde, um eine Resolution bzgl. der Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und Pakistan zu erzwingen. Interessante Randnotiz: auf die indische Seite schlug sich damals niemand geringerer als der US-Kriegsminister Jim Mattis.

Doch damit noch nicht genug: ebenfalls 2017 standen China und Indien wegen eines unbedeutenden Bergpasses in Bhutan vor einem militärischen Konflikt. China wollte in Bhutan eine bestehende Straße ausbauen, während sich Indien auf die Seite Bhutans schlug, das diesen Ausbau ablehnte. Indien sandte daraufhin sogar Militär in die Region. Die Folge war ein zweimonatiges Ringen, bis sich Neu Delli und Peking darauf verständigten, dass ein Rückzug aus der Region stattfinden solle. Gleichzeitig verzichtete aber China nicht auf den Ausbau der Straße zu einem späteren Zeitpunkt.

Auch der Konflikt um die Malediven brachte die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gegeneinander auf. Im Falle der Malediven geht es – ganz kurz zusammengefasst – darum, dass die Malediven den Notstand ausgerufen haben, nachdem es der jetzige Präsident, Abdulla Yameen, ablehnte, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu akzeptieren, neun Mitglieder der politischen Opposition aus dem Gefängnis zu entlassen. Schon immer liegen die Malediven im Einflussbereich Indiens, aber Yameen gilt als Mann Pekings und ist “stark am OBOR-Geld interessiert”.

China und Indien stehen sich also auf mehreren “Fronten” gegenüber. Die politische Opposition auf den Malediven forderte Indien sogar auf, militärisch einzugreifen, um die Ordnung im Lande wieder herzustellen. Früher wäre Indien sofort dieser Forderung nachgekommen, aber heute haben sich mit China die Zeiten geändert. China versendete nämlich nach dieser Aufforderung der Opposition elf Kriegsschiffe in den Ostindischen Ozean, während Neu Delhi noch Diskussionen über ein Eingreifen führte. Indien sieht in China eine echte Gefahr. Nicht nur wegen dieser elf Kriegsschiffe, sondern auch aufgrund des wachsenden Einflusses in der gesamten Region – von Gwadar bis Djibouti.

Selbst das indische Militär hat sich von dieser Panik anstecken lassen. Ein schwerer Bruch des diplomatischen Protokolls, der wiederum zu militärischen Spannungen führen könnte, fand zudem vor wenigen Tagen statt. Der Chef des indischen Militärs beschuldigte dabei China und Pakistan, dass beide Länder den Zustrom von Aufständischen in den Nordosten Indiens aus Bangladesh heraus erleichtern und unterstützen würden.

Kurz gesagt: die Beziehungen zwischen China und Indien sind inzwischen mehr als frostig und die Interessen der USA sind nur allzu offensichtlich.

Jedoch macht sich aktuell trotz allem ein “Hoffnungsschimmer” breit, dass die Spannungen nicht außer Kontrolle geraten. So ist Indien inzwischen ein vollwertiges Mitglied der Shanghai Cooperation Organization (SCO), die als Gegenpol zur NATO gilt und in der China eines der Schwergewichte darstellt. Unter Berücksichtigung, dass die beiden Staaten jetzt mittels eines Wirtschafts- und Sicherheitspakts miteinander verbunden sind, das zudem koordinierte Militärübungen abhält, scheint eine offene, direkte Konfrontation unwahrscheinlicher zu werden. Und Peking hält nach wie vor die Tür für Gespräche bzgl. des CPEC-Disputs offen.

Nichtsdestotrotz muss der Blick in dieser Causa auch gen Washington gerichtet bleiben. Denn die Neocons haben Indien als “Bremser einer chinesischen Dominanz und Vorherrschaft in Asien” auserkoren. Und der Namenswechsel dieser Region – hin zu Indo-Pacific – ist das offensichtlichste Zeichen dafür. Man muss davon ausgehen, dass bei jedem, neuen oder bereits bestehenden Disput zwischen Peking und Neu Delhi, Washington an der Seitenlinie stehen wird und dem indischen Premierminister Modi zuflüstern wird, dass doch Indien die wahre Kontinentalmacht in dieser Region ist.

Wie jede andere imperiale Einmischung im Zeitalter der Pax Americana auch, wäre dies aber eine zynische Lüge. Für Washington spielt es keine Rolle, ob Indien wirklich eine Kontinentalmacht ist oder nicht – solange China der Stachel im Fleisch der USA ist.

Es bleibt abzuwarten, ob die anderen Regionalmächte (wie Australien oder Japan) mit dieser neuen “indo-pazifischen Idee” d’accord gehen. Was aber alsbald um sich greifen wird, ist in den kommenden Jahren das neue Schlagwort Indo-Pacific in den US-amerikanischen, geopolitischen Diskussionen.

Quellen:
America, China, and the Battle for the “Indo-Pacific”
Rex Tillerson emphasises importance of US-India partnership
China und Indien: Der Kampf um die regionale Vorherrschaft
Remarks on “Defining Our Relationship With India for the Next Century”
Tillerson on India: Partners in a “Free and Open Indo-Pacific”
‘Indo-Pacific’ over ‘Asia-Pacific’ reflects India’s rise: US official
Full text of President Xi’s speech at opening of Belt and Road forum
China’s Trillion Dollar Gamble: The New Silk Road
India to skip China’s new Silk Road forum
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On OBOR, US backs India, says it crosses ‘disputed’ territory
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